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Batatinha: Diplomat des Samba aus Bahia

Kürzlich wurde ich beim Spazierengehen unfreiwillig Zeuge eines Telefonats, in dem jemand mit folgenden Worten seine Beziehung retten wollte: "Ich will nur, dass Du verstehst, dass ich Dich verstehe." Als ich das hörte, dachte ich: "Ganz schön kompliziert, dass der will, dass sie versteht, was er versteht." Und dann dachte ich an Batatinha. Einen Sambakomponisten aus Salvador, der oft thematisiert, dass man am ehesten sich selbst versteht, für Beziehungen bedarf es großer Diplomatie.

 

Das Problem, sich verständlich zu machen und sich auszudrücken, Akzeptanz zu erfahren für seine Identität, für das, was man ist, ist in vielen der Kompositionen Batatinhas, der eigentlich Oscar da Penha heißt, präsent. Die These, dass man nur selbst wissen kann, wer man ist, und dass selbst das eine ziemlich unsichere Angelegenheit ist, und wie dieses exklusive Privatwissen in zwischenmenschlichen Beziehungen doch dem Gegenüber "in diplomatischer Kunst" eröffnet werden kann - darüber lässt mich das Werk Batatinhas nachdenken.

Ironischerweise behauptete er zu Beginn seiner Karriere in den vierziger Jahren über seine eigenen Lieder, dass sie von anderen, bekannteren Komponisten geschrieben worden waren, damit sie in der Gunst der Leute steigen. Wer er selbst war, nämlich der Komponist seiner Lieder, wusste also wirklich nur er - allerdings hatte dieser Trick nicht den erhofften Effekt für seinen Erfolg. Erst als ein erfolgreicher Sambasänger namens Jamelão in den sechziger Jahren einen von Batatinhas Sambas interpretierte, ging es für diesen ein bisschen aufwärts. Bis jetzt, so zumindest meine Meinung, erfährt er jedoch nicht die ihm gebührende Resonanz, obwohl auch heutzutage ab und zu einige prominente Musikerinnen und Musiker seine Lieder singen, wie z.B. Maria Bethânia.

In seinem Samba "Ironia" singt Batatinha: "Du hast über mich gelacht, weil Du mich lachen gesehen hast. Aber nun fliehe ich vor allem, was die Illusion mir gegeben hat. Was mein Leben betrifft, bin nur ich derjenige, der Bescheid weiß (Pois da minha vida quem sabe sou eu)." In "Diplomacia" heißt es, dass nur man selbst seine Verzweiflung kennt, niemand sonst sieht sie ("Meu desespero ninguém vê"). Um sich dennoch in gesellschaftlichen Beziehungen bewegen zu können, muss man dann schon diplomiert sein in der Disziplin des "Leidens". Und in "Imitação" wird die Thematik des Sambakomponisten, der 1924 in Salvador, Bahia, geboren wurde und 1997 ebendort starb, schließlich besonders deutlich: "Niemand weiß, wer ich bin, und nicht einmal ich weiß es. (Ninguém sabe quem sou eu, Também já não sei quem sou)." Aber die Hoffnung, sich doch einmal zu erkennen und sich dann auch noch dem Gegenüber zu eröffnen, die lebt im Herzen. Mit ein bisschen Beistand (von oben?) oder wie im Falle von Batatinha durchs Musizieren kann es dann hin und wieder in seltenen Momenten gelingen. 

 

(Foto: Domínio público / Acervo Arquivo Nacional)