Nelson Cavaquinho (1911–1986) war ein brasilianischer Sänger, Gitarrist und Komponist, der als Meister des melancholischen Samba gilt. Als Mitglied der Sambaschule Mangueira prägte er den Samba de Morro aus den Hügeln Rio de Janeiros, wo die Favelas liegen. Im Umfeld von Größen wie Cartola oder Paulinho da Viola prägte er den Sound des Samba für immer. Seine Lieder sind musikalisch minimalistisch im Vergleich zu den maximalen Themen wie Tod, Vergänglichkeit und Hoffnung auf das Jüngste Gericht.
Nelson Cavaquinho erhielt seinen Künstlernamen vom Instrument Cavaquinho, das er in den Choro-Runden zu spielen pflegte, die er in seinen jüngeren Jahren frequentierte. Später stieg er vermehrt auf die Gitarre um, die er mit einer speziellen Zweifingertechnik spielte - eine Technik ähnlich minimalistisch wie seine Kompositionen.
In seinem Lied "Juízo Final", also "Das Jüngste Gericht" liefert Nelson Cavaquinho die Prognose, dass die Sonne noch einmal scheinen wird - die Hoffnung, dass das Gute über das Böse siegt, dass mit der Sonne "das Licht die Herzen erreichen wird" und "die Saat des Bösen verbrannt werden wird". Seine Hoffnung auf Gerechtigkeit bleibt unerschüttert und er verkündet sie wahrscheinlich nicht zufällig im Jahr 1973, als er auch das gleichnamige Album veröffentlicht, mitten in der Militärdiktatur. Auch in heutigen Zeiten sollten wir die Hoffnung auf Gerechtigkeit nicht begraben.
Der optimistische Wetterbericht von "Juízo Final" ist für Nelson Cavaquinho jedoch gar nicht so typisch; denn andere Kompositionen haben eine melancholischere Note. Sein Lied "Quando Eu Me Chamar Saudade" (also "Wenn ich Sehnsucht heiße") ermahnt zum Beispiel dazu, seine Liebsten zu ihren Lebzeiten zu lieben und ihnen das auch mit den entsprechenden Gesten zu zeigen: "Me dê as flores em vida / O carinho, a mão amiga" – "Gib mir die Blumen im Leben, die Zuneigung, die freundliche Hand". Angeblich hat er dieses Lied komponiert, nachdem er das Grab seines viel zu jung verstorbenen Komponisten-Kollegen Noel Rosa in einem ziemlich vernachlässigten Zustand angetroffen hat. Er kam dann aber auf eine andere als die naheliegende Idee, sich über den Zustand des Grabes zu beklagen: Wichtiger als die Pflege eines Grabsteins ist die Pflege der Freundschaft und der Liebe zu Lebzeiten. Im Lied heißt es daher: "Depois que eu me chamar saudade / Não preciso de vaidade", also "Wenn ich nur noch Sehnsucht heiße, brauche ich keine Eitelkeit".
Ich finde, dass man beide Inhalte zusammenlesen sollte. Man muss etwas für das Gute tun! Nicht darauf warten, dass man sich nach dem Guten sehnt, wenn es zu spät ist. Darum geht es in "Quando Eu Me Chamar Saudade". Mit diesem Gedanken im Kopf zusammen mit der Hoffnung, die im Lied "Juízo Final" vertont ist, können wir auch hoffen, dass es nie zu spät für das Gute ist. Versuchen wir also im Hier und Jetzt das Beste zu erreichen und wenn es uns unerreichbar erscheint: Geben wir die Hoffnung nicht auf!
(Bild: Brazilian National Archives, Public domain, via Wikimedia Commons)