Über Benito di Paula wollte ich schon lange einen Blogeintrag schreiben. Der Sänger, der aus Rio de Janeiro nach São Paulo gegangen ist, um dort in den siebziger und achtziger Jahren zum Protagonisten des "Samba Paulista" zu werden, gehört mit 50 Millionen verkauften Platten zu den erfolgreichsten Musikern Brasiliens. Seine frische, mutige Interpretation des Samba mit Piano, Jazz-Elementen und romantischer Seele ergibt eine Mischung, die später unter dem Begriff "Samba-Joia" bekannt wurde.
Benito widersetzte sich mit dem "Samba-Joia" Zeit seines Lebens musikalischen Normen. Sein Stil wurde von Kritikern oft als "zu sentimental" oder "nicht authentisch" abgewertet, weil er von der traditionellen Samba-Schule abwich. Doch gerade dieser Mut zum eigenen künstlerischen Ausdruck machte ihn zu einer der wichtigsten Figuren der brasilianischen Musikszene. Ganz entscheidend ist für seinen Stil, dass er als singender Pianist das Piano in den Mittelpunkt des Sambas rückte. Seine Kompositionen verbinden traditionelle Rhythmen mit jazzigen Akkorden und melodischen Arrangements. Am besten kann man diesen besonderen Sound, finde ich, bei seinen Live-Auftritten sehen.
Weshalb ich aber endlich einen dringenden Anlass bekommen habe, einen Eintrag über Benito di Paula zu schreiben, liegt an einer Meldung, die ich gestern in der Trambahn auf einem Bildschirm
gelesen habe: Der deutsche Schlagersänger Jürgen Drews erhält den Bayerischen Verdienstorden! Was hat das nun mit Benito di Paula zu tun? Nun ja, Jürgen Drews und einige andere deutschsprachige
und auch anderssprachige europäische Schlagersänger haben einen seiner größten Hits interpretiert: "Charlie Brown". Inspiriert vom Comic-Charakter Charlie Brown nimmt Benito die Zuhörer mit auf
eine musikalische Reise durch Brasilien. Er stellt Charlie Brown (und dem Publikum) Künstler wie Vinícius de Moraes, Caetano Veloso, Luiz Gonzaga und Jorge Ben vor und er zeigt der Hauptfigur der
"Peanuts" neben den Hörenswürdigkeiten auch die Sehenswürdigkeiten Brasiliens, wie z.B. die berühmte Fankurve des Fußballclubs Flamengo. Der Song hat absolute Ohrwurmqualitäten, die Melodie kann
man nach dem ersten Mal mitsingen - was ihn natürlich für einen Schlagersong qualifiziert. Unten hört ihr das Original, die Version von Jürgen Drews und eine völlig verrückte Performance des
belgischen Poptrios (!) "Two Man Sound", die 1975 mit dem Song einen Mega-Hit in Italien und Belgien landeten. Wir haben schon einmal gesehen, wie der Song "Mulher Rendeira" auf ungewöhnliche
Weise um die Welt ging. "Charlie Brown" ist ein weiteres Beispiel, wie verschlungen die Wege eines Songs sein können: Von Rio über Belgien bis zum Träger des Bayerischen Verdienstordens Jürgen
Drews.
"Unverhofft kommt oft" gilt auch für den Inhalt eines weiteren tollen Songs, mit dem Benito di Paula einen Klassiker des Samba geschrieben hat, wobei hier das Unverhoffte einen negativen
Sinn hat. "Retalhos de Cetim" (1973) beschreibt wie die Hoffnung und die Erwartung eines Mannes enttäuscht werden. Voller Vorfreude bereitete er sich auf den Karneval vor. Er investiert Zeit,
Geld und Emotionen in Kostüme aus Satin-Stoffresten ("retalhos de cetim") und träumt davon, mit seiner Geliebten (der "cabrocha", d.h. der jungen Karnevalstänzerin) durch die Straßen zu ziehen.
Doch am Tag des Festes erscheint sie nicht – und er bleibt enttäuscht und verletzt zurück. Das für den Samba typische Wechselspiel aus Moll und Dur wird für dieses Wechselbad der Gefühle von
Benito di Paula perfekt eingesetzt. Viel Spaß beim Hören und Sehen dieses Klassikers.
(Foto: File:80benedito.png - Wikimedia Commons, by Henrique Freire Tubbs)