Im Sommer hören wir gerne Musik über den Strand, die Wellen und das Meer. Da kommt leicht Urlaubsstimmung auf. Dorival Caymmi aus Bahia komponierte in seinen "Canções Praieiras" jedoch keine leichten Beachsounds, sondern er porträtierte das harte Leben der Leute, die mit dem Meer leben (und sterben) - und nicht nur dort Urlaub machen. Ein besonders starker Titel ist das Lied "A jangada voltou só", d.h.: Die Jangada (dieses einfache Fischerboot des Nordostens) kehrte alleine ("só") zurück.
Wer nicht zurückkehrte, war die Besatzung. Caymmi nennt in seiner Komposition - und das gibt dem Lied durch die persönliche Ebene seine ganz eigene Dramatik - die Namen der Jangadeiros: Es sind Chico Ferreira und Bento, die fehlen, als ihre Jangada alleine zurück an den Strand gelangt, wahrscheinlich wegen einer Windhose ("pé de vento"), die die Jangada zum Kentern gebracht hat. Chico und Bento fehlen an diesem einen Tag auf der Jangada, von der aus sie ihrem Beruf der Fischerei jeden Tag nachgegangen sind, aber sie werden ab diesem Tag besonders im Leben der kleinen Gemeinde Juagaripe fehlen. Dort hatten sie immer ihre festen Rollen auf den Festen und bei den Spielen, die alle gemeinsam feierten und spielten, man kannte und schätzte sie für das, was sie waren. Nun fehlen sie und ihre Plätze sind für immer leer.
Ähnlich dramatisch ist ein anderes Lied desselben Albums. Es trägt den Titel "É doce morrer no mar", also: Es ist süß, im Meer zu sterben. Caymmi komponierte es inspiriert vom Roman "Mar Morto" seines Freundes Jorge Amado und sogar im Duo mit ihm. Amado war einer der bedeutendsten Schriftsteller Lateinamerikas und ebenso wie Caymmi aus Bahia. Sein Roman "Mar Morto" kreiselt um das Motto, dass es "süß ist, im Meer zu sterben" und bezieht sich immer wieder auf Iemanjá. Im Lied bricht der hübsche Seemann im Morgengrauen auf, um zur See zu fahren - aber er kommt nicht wieder, so wie Chico Ferreira und Bento. Also das gleiche Thema wie bei "A jangada voltou só". Nur dass hier neben der Trauer, die mit dem Tod des Seemanns verbunden ist, auch ein den Schmerz lindernder Mythos mitgeliefert wird: Der Seemann fand sein Ehebett im Schoß der Meeresgöttin Iemanjá, nachdem er von den Meerjungfrauen dorthin verschleppt worden war.
Der Trost, den die Menschen finden, die mit den Gefahren des Meeres leben, liegt in den Legenden und in ihrer religiösen Beziehung zum Meer. Zwischen ihnen und dem Meer liegt keine Urlaubsreise, keine Distanz, sondern es ist Teil ihres täglichen Lebens. Deshalb umfasst der Beachsound, den Caymmi in seinen "Canções Praieiras" anstimmt, alles, was zum Leben dazugehört. Und das ist auch der Tod.
Unten könnt ihr einige Versionen der Lieder hören. (Dori Caymmi ist übrigens der Sohn von Dorival Caymmi.)
(Foto: Domínio público / Acervo Arquivo Nacional)