Toquinho schrieb 1974 mit Vinícius de Moraes ein Thema für eine Figur der brasilianischen Telenovela "Fogo Sobre Terra" (1974). Diese Figur träumte davon, reich zu werden und in die Großstadt zu ziehen. Neun Jahre später wird dieses Lied mit dem Titel "Uma Rosa Em Minha Mão" zum ersten Teil des Welthits "Aquarela" (1983), mit dem Toquinho zu internationaler Berühmtheit gelangt. Die Geschichte eines Lebens ist wie ein Aquarell, das wir malen, bunt, voller Bewegung - und am Ende verblasst es doch.
Neun Jahre nach "Uma Rosa Em Minha Mão" traf Toquinho in São Paulo auf den italienischen Komponisten Maurizio Fabrizio, der im Laufe seiner Karriere mit den größten italienischen Sängerinnen und Sängern zusammenarbeiten sollte, darunter Eros Ramazotti, Angelo Branduardi, Antonello Venditti oder Patty Pravo. Fabrizio hatte einen Song in seinem Gepäck, für den der Lieddichter Guido Morra den Text geschrieben hatte. Gemeinsam beschlossen Fabrizio und Toquinho, diesen mit der Melodie von "Uma Rosa Em Minha Mão" wie zwei Farbkleckse auf ein Papier zu werfen. Was sich ergab, war einer der größten internationalen Hits Brasiliens, der in Italien sogar Goldstatus erhielt: "Aquarela".
In dem Lied spiegelt sich also seine eigene Entstehungsgeschichte. Auf einem weißen Blatt Papier beginnt man etwas zu malen. Die Vorstellungskraft schöpft dabei ihre eigenen Welten. Aus wenigen Strichen wird ein Schloss, wenn man die Hand auf dem Papier mit einem Stift umkreist, ergibt sich ein Handschuh und ein blauer Farbklecks lässt uns an den Himmel denken, vor dem eine weiße Möwe ihre Kreise um die Welt zieht. Toquinho und de Moraes hatten mit ihrem Lied für die Telenovela etwas Neues begonnen und als ein Flugzeug aus Italien in Brasilien landete, setzte sich dieser Beginn fort und schuf etwas Unvorhergesehenes. Damit war nicht zu rechnen. Um diese Unberechenbarkeit geht es auch in "Aquarela". Es heißt dort: "Ein Junge geht, und gehend erreicht er die Mauer. Und gleich gegenüber wartet die Zukunft auf uns." Was in der Zukunft geschieht, kann niemand wissen. Wir versuchen sie zu gestalten - der Text setzt fort: "Und die Zukunft ist ein Raumschiff, das wir zu steuern versuchen. Es kennt keine Zeit, keine Gnade, keine Ankunftszeit. Ohne um Erlaubnis zu bitten, verändert es unser Leben und lädt uns ein, zu lachen oder zu weinen." Das Leben überrascht uns, wir sind Passagiere des Raumschiffs, das wir zwar zu steuern versuchen, dessen Ziel wir noch nicht kennen. Aber auf dem Weg zu diesem unbekannten Ziel entsteht ein buntes Bild, an dem wir uns freuen können, indem wir es füllen - so wie ein weißes Papier, das wir beginnen zu bemalen oder zu bekritzeln. "Auf diesem Weg liegt es nicht an uns, zu wissen oder zu sehen, was kommen wird. Das Ende kennt niemand genau, wo es hinführt."
Diese Zeilen erinnern vielleicht daran, wie man als Kind Träume hat, und sie klingen und sind tatsächlich wie eine Ermutigung, das Leben zu leben, indem man seine Ideen zu verwirklichen sucht, auch wenn niemals klar ist, ob es klappt oder nicht.
Aber - ihr habt das in diesem Blog schon öfters erfahren - in der brasilianischen Musik fehlt nicht oft ein etwas nachdenklicher, ernüchternder Schwenk am Ende eines schönen Liedes. Eine seiner letzten Zeilen bringt nämlich einen fatalistischen Gedanken auf den Punkt: "Wir gehen alle auf einem schönen Laufsteg eines Aquarells, das eines Tages verblassen wird." Die Endlichkeit des Lebens steckt darin - und auch die Endlichkeit der Erinnerungen und Spuren, die wir hinterlassen. Am Ende verblasst alles wie auf einem Aquarell, das zu lange in der Sonne lag. Das Lied erinnert uns daran.
Und es mahnt mich dazu, im Hier und Jetzt mit vereinten Kräften ("com alguns bons amigos") zu versuchen, etwas Schönes zu schaffen, das wie mit einem Zirkel gezogen einen Kreis bildet. So wie die Freunde Vinícius de Moraes, Toquinho, Maurizio Fabrizio und Guido Morra uns völlig unverhofft das Lied "Aquarela" geschenkt haben.
Der heutige Blog ist einem ganz besonderen kleinen Jungen zu seinem Geburtstag gewidmet. Ich wünsche ihm, dass sein Leben ein schönes Aquarell wird - in meinem Herzen wird es nie verblassen.
(Foto: Relicário, CC BY 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.0>, via Wikimedia Commons)
