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Angela Ro Ro: "Amor, meu grande amor"

Angela Ro Ro ist eine der markantesten Stimmen und Persönlichkeiten der brasilianischen Musik. Mit ihren Kompositionen, die Blues, Bolero, Samba und Rock mischten, prägte sie das MPB-Genre. Sie brach gesellschaftliche Tabus, war eine der ersten offen lesbischen Künstlerinnen Brasiliens. Liebeskummer, Exzesse und Selbstfindung spiegeln sich in ihren Liedern, die zu den schönsten der MPB zählen. Ich wollte schon länger über Angela Ro Ro schreiben. Nun ist sie leider mit nur 75 Jahren gestorben.

 

Am 8. September vermeldete die brasilianische Presse, dass Angela Ro Ro gestorben ist. Für mich zählte sie zu den besten Komponistinnen und Komponisten Brasiliens und ihre Stimme gehört unzweifelhaft zu den markantesten des Landes. Ihren Spitznamen "Ro Ro" erhielt sie bereits als Jugendliche wegen ihrer rauen ("rouca") Stimme: mit dieser und einem für die damalige Zeit neuen Stil, der Blues, Samba-Canção, Bolero und Rock vereinte, prägte sie Generationen. Zu Zeiten der Militärdiktatur schenkte ihr Vater ihr ein "One-Way-Ticket" nach Europa - später erzählte Angela Ro Ro öffentlich, so wie sie ziemlich viel und manchmal vielleicht auch zu viel öffentlich machte, dass sie nicht sicher sei, ob sie ein One-Way-Ticket erhalten hatte, weil ihr Vater klamm war oder weil er sie nicht wieder sehen mochte.

Im europäischen Exil landete sie zunächst in Italien. Dort lernte sie den Komponisten Glauber Rocha kennen und über ihn auch Berühmtheiten des italienischen Films, darunter Federico Fellini e Giulietta Masina. Danach verschlug es sie nach London, wo sie sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, bis sie in einem Pub einmal auf dem Klavier "Summertime" spielte. Nach diesem Auftritt verdiente sie sich den Lebensunterhalt mit Musik in Bars, wo sie Jimi Hendrix genauso wie Luiz Gonzaga spielte. Zu dieser Zeit befand sich noch ein anderer Künstler in London im Exil, der in der Musikszene bereits etabliert war: Caetano Veloso. Durch die Vermittlung Glauber Rochas kam es dann zum ersten "registrierten" und noch unscheinbaren Auftritt Angela Ro Ros. Die Sängerin, Komponistin und Instrumentalistin aus Rio de Janeiro steuerte einen Mundharmonika-Einsatz in "Nostalgia (That's what rock'n roll is all about)" bei, einem Lied von Caetano Veloso, das sein Album Transa (1972) abschließt. Es war das zweite und letzte Werk, das Veloso während seines Exils in London aufnahm, wo sogar der Manager der Sex Pistols Kontakt mit Angela Ro Ro aufgenommen haben soll und ein Album mit ihr plante, zu dem es jedoch nie kam.

Der Durchbruch gelang Angela Ro Ro 1979 mit dem Album "Angela Ro Ro" und vor allem mit dem Titel "Amor, Meu Grande Amor". Der Song, gemeinsam mit Ana Terra geschrieben, thematisiert die Suche nach der freien, ungezwungenen und echten Liebe, fernab gesellschaftlicher Erwartungen und Zwänge. Inhaltlich geht es um die Ablehnung von festgelegten Regeln in der Liebe ("Komm nicht zur vereinbarten Zeit" - als Imperativ an die Liebe, und nicht, wie es vielleicht in einem Text erwartbar wäre, "Kommt nicht zur vereinbarten Zeit"), die Offenheit gegenüber dem Unbekannten ("Ob ich Feuer oder Wasser bin", die Bereitschaft zur vollständigen emotionalen Hingabe ("Alles, was ich anbiete, ist meine Wärme, meine Adresse") und die Akzeptanz der Vergänglichkeit – Liebe soll nur so lange dauern, wie sie es verdient. 

Ro Ro lebte intensiv und stellte dieses Leben teilweise auch bewusst öffentlich aus – ihre Musik spiegelte persönliche Höhen und Tiefen wider, von leidenschaftlichen Beziehungen bis zu gesundheitlichen und finanziellen Krisen. Trotz Rückschlägen blieb sie eine kompromisslose Künstlerin, deren Werk von anderen Größen wie Ney Matogrosso, Barão Vermelho und Maria Bethânia interpretiert wurde.

Kurz vor ihrem Tod arbeitete sie noch an einem Dokumentarfilm über ihr Leben, der ihre künstlerische und persönliche Reise würdigt. Ich hoffe, dass der Film bald veröffentlicht wird. Es ist sehr traurig, dass Angela Ro Ro schon gestorben ist. 

 

(Bild: 26° Prêmio da Música Brasileira, CC BY 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.0>, via Wikimedia Commons)